Fahrerlose Transportsysteme (FTS) bringen Bauteile vom Lager in die Montage und transportieren halbfertige Produkte von einer Arbeitsstation zur nächsten. Aus den Logistikzentren großer Versandhändler und den Fabriken der Automobilindustrie sind sie nicht mehr wegzudenken. Auch in manchen Krankenhäusern werden die kleinen Transport-Roboter eingesetzt, um Stationen zu versorgen und Müll zu entsorgen.
Kleine Unternehmen nutzen dagegen sehr selten Fahrerlose Transportsysteme. Kein Wunder, schließlich ist die Anschaffung äußerst aufwendig. Aktuell wird fast jedes FTS individuell für den jeweiligen Nutzer entwickelt. Das führt zu hohen Anschaffungskosten und langen Lieferzeiten. Zudem wird Fachpersonal benötigt, um das FTS aufzubauen, zu programmieren und in Betrieb zu nehmen – und das kann je nach Größe und Komplexität des Systems mehrere Wochen oder sogar Monate dauern.
Ein günstiges und flexibles FTS, das wesentlich schneller einsatzbereit ist, wollen das IPH und Flexlog in einem gemeinsamen Forschungsprojekt entwickeln. Die Fahrzeuge sollen sich nach dem Baukastenprinzip zusammensetzen lassen, aufwendige Konfigurationen durch Fachpersonal sollen nicht notwendig sein. Stattdessen genügt ein kurzer Anlernprozess – und innerhalb eines Tages läuft das System.
In den kommenden zwei Jahren entwickeln die Ingenieure am IPH hauptsächlich Hardwarekomponenten für das FTS. Sie konstruieren eine Übergabestation, an der die Fahrzeuge im Vorbeifahren selbstständig Kisten aufnehmen und ablegen können, und sie legen einen Ladungsträger aus, der möglichst vielseitig einsetzbar ist und Kisten unterschiedlicher Größe handhaben kann. Zudem entwickeln die IPH-Ingenieure ein Plug&Play-fähiges Lastaufnahmemittel: Nach dem Baukastensystem können sich Unternehmen künftig die passenden Ladungsträger aussuchen. Über eine universelle Schnittstelle werden diese ans Fahrzeug gesteckt und lassen sich jederzeit austauschen. Dadurch können die Fahrzeuge unkompliziert an die Bedürfnisse unterschiedlicher Nutzer angepasst werden.
Die Hardware für ein „schlaues“ Fahrzeuggehäuse, das eine Mensch-Maschine-Interaktion ermöglicht, legen die Ingenieure am IPH ebenfalls aus. Über ein Touch-Display können die Arbeiter mit dem Fahrzeug kommunizieren und sich beispielsweise den Auftragsbearbeitungsstand anzeigen lassen. Parallel dazu entwickeln die Flexlog-Mitarbeiter die Software: Mit entsprechenden Steuerungsalgorithmen kann das Fahrzeug Wegstrecken automatisch und zuverlässig erlernen, die Infrastruktur erfassen und sich im Raum orientieren. Über eine Frontkamera erkennt das Fahrzeug Objekte, Fahrlinien, Haltelinien und vieles mehr. Flexlog entwickelt außerdem ein unterbrechungsfreies und autonomes Ladekonzept: Denkbar ist beispielsweise, die Fahrzeuge an den Übergabestellen im laufenden Betrieb aufzuladen. Gemeinsam erarbeiten die beiden Projektpartner einen vordefinierten Konfigurationsprozess, der sich sehr einfach und intuitiv bedienen lässt. So kann der Endnutzer sein FTS innerhalb kurzer Zeit und ohne Vorkenntnisse in Betrieb nehmen.
Ziel des Kooperationsprojekts ist ein Prototyp eines sehr günstigen und flexiblen Fahrerlosen Transportsystems, das schnell einsatzbereit ist. Dadurch werden die Anschaffungskosten stark sinken. Besonders für kleine und mittlere Unternehmen würde es damit wesentlich attraktiver, Fahrerlose Transportsysteme zu nutzen. Deshalb unterstützt das Bundeswirtschaftsministerium die innovative Idee: Flexlog und das IPH erhalten für ihr Forschungs- und Entwicklungsprojekt Fördermittel aus dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM).
Das Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH) gemeinnützige GmbH forscht und entwickelt auf dem Gebiet der Produktionstechnik. Gegründet wurde das Unternehmen 1988 aus der Leibniz Universität Hannover heraus. Das IPH bietet Forschung und Entwicklung, Beratung und Qualifizierung rund um die Themen Prozesstechnik, Produktionsautomatisierung, Logistik und XXL-Produkte. Zu seinen Kunden zählen Unternehmen aus den Branchen Werkzeug- und Formenbau, Maschinen- und Anlagenbau, Luft- und Raumfahrt und der Automobil-, Elektro- und Schmiedeindustrie.
Das Unternehmen hat seinen Sitz im Wissenschaftspark Marienwerder im Nordwesten von Hannover und beschäftigt aktuell ca. 70 Mitarbeiter, etwa 30 davon als wissenschaftliches Personal.
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