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Fliegende Augen über der Unfallstelle

Bei Minustemperaturen, schlechter Sicht und Schnee haben der DRK Rettungsdienst Mittelhessen (RDMH), der Fachbereich Gesundheit der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) und die Freiwillige Feuerwehr Herborn den Einsatz von Drohnen in unübersichtlichen Unfallsituationen erprobt. Im Szenario „Nighthawk 22“ ist ein Auto auf einem unbeschrankten Bahnübergang mit einem unbeleuchteten Gefahrguttransporter kollidiert, Menschen sind verletzt und irren durch den nächtlichen Wald.

Für Feuerwehr und DRK handelt es sich auf dem THW-Übungsgelände des Technischen Hilfswerks in Frohnhausen bei Dillenburg um eine Übung unter erschwerten Bedingungen wie Dunkelheit und beißender Kälte – die kalte Jahreszeit war bewusst gewählt, um die besonderen Anforderungen eines Einsatzes bei diesen klimatischen Verhältnissen zu meistern. Denn dann können Drohnen ihre Vorteile zur Unterstützung der Rettungskräfte ausspielen, so Prof. Dr. Henning Schneider, Dekan des Fachbereichs Gesundheit an der THM. Für die Hochschule stellt die Teilnahme eine Premiere dar: Erstmals werden an der Hochschule erdachte Konzepte zur Unterstützung von Rettungseinsätzen in einer realitätsnahen Umgebung getestet.

„In besonderen Gefahrenlagen besteht für die Rettungskräfte das Risiko, bei ihrer Hilfeleistung selbst verletzt zu werden. Darum muss vorab geklärt werden, ob sie ihren Einsatz gefahrlos durchführen können beziehungsweise welche Gefährdungen bestehen“, erläutert Jan Orendt, Betriebsleiter beim RDMH, die Ausgangsfrage jedes komplexen Einsatzgeschehens. In diesem simulierten Fall zeigen die Bilder der rasch aufgestiegenen THM-Drohnen eine Beladung des Transports mit flüssigem Methan, einem hochexplosiven Stoff. Eine sofortige Rettung ist somit nicht möglich. Eine weitere Drohne mit speziellen Gassensoren umfliegt daher den Tank, Messwerte werden live auf einen Monitor in ein Einsatzfahrzeug des Fachbereichs übertragen – und erlauben Entwarnung: Kein Methan tritt aus.

Studierende des Fachbereichs hatten im Vorfeld der Übung Sensorik für Gefahrstoffe für die Drohnen nutzbar gemacht und eine Möglichkeit der Informationsübertragung entwickelt. „Diese Technik kann Menschenleben schützen, da Rettungskräfte sich nicht direkt an gefährliche Güter begeben müssen, um Messungen durchzuführen“, so Bernhard Kaus, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich. Jan Orendt ergänzt: „Moderne Drohnen können etwa hochwertiges Bildmaterial zur Verfügung stellen, das eine genaue Einschätzung der Lage ermöglicht. Auch das Ausleuchten unübersichtlicher Einsatzstellen im Dunkeln kann eine wertvolle Unterstützung sein.“

Das wird im Rahmen der Übung ebenfalls praktisch erprobt. So kommen besonders leistungsstarke Scheinwerfer zum Einsatz, die Studierende am Fachbereich Gesundheit entwickelt haben. An den Drohnen befestigt, leuchten sie die Einsatzstelle komplett aus und bieten damit Vorteile gegenüber den sonst üblichen Lichtmasten auf Rettungsfahrzeugen: Derart ausgerüstete Drohnen können auch über unwegsamem Gelände eingesetzt werden.

Während Feuerwehr und Rettungsdienst routiniert an der Rettung der Patienten arbeiten, verfolgt die Einsatzleitung live die Übertragungen von Body-Cams und Drohnen am Monitor – datenschutzsicher und an jede beliebige Stelle übertragbar, wie Prof. Schneider versichert. Das selbstentwickelte System „Vector“ wird auf speziell geschützten Servern des Fachbereichs betrieben.

Kurz darauf wird auch ein Wärmebild übertragen: Es stellt sich heraus, dass zwei Menschen mehr im Auto gesessen hatten, als zunächst vermutet „Es ist nicht selten, dass verunfallte Personen die Unfallstelle verlassen und orientierungslos sind“, so Jan Orendt vom RDMH. Im Übungsszenario gelten sie als vermisst in dem unwegsamen, waldigen Gelände. Ihre Wärmesignatur ist in der kalten Umgebung aber unverkennbar. Nach Vergrößerung des Bildes wird sogar deutlich, dass eine Person bereits Anzeichen von Unterkühlung zeigt und blutet. Diese Bewertung der Vitalwerte eines Patienten bezeichnet Prof. Schneider als „Triage aus der Luft“, welche die Wissenschaftler am Fachbereich optimiert haben. Die Informationen helfen, schnell zu erkennen, wer zuerst versorgt werden muss.

Nach mehr als zwei Stunden ziehen die Übungsbeteiligten eine positive Bilanz. Die Zusammenarbeit habe hervorragend funktioniert, die Drohnennutzung sei eine sinnvolle Ergänzung für die Rettungskräfte. Eine Einsatzmitarbeiterin regt zudem an, dass die Drohnen einen Lautsprecher haben sollten, um Betroffenen zu Beginn der Rettung die Angst zu nehmen. Solche Hinweise liefern der THM wichtige Anregungen für die weitere Optimierung der Drohnen. Bleibt als Wermutstropfen, dass diese Technologien in Hessen noch nicht weit verbreitet sind und es die Prototypen des Fachbereichs Gesundheit nicht von der Stange gibt.

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