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Was steuert die Anzahl der Stammzellen im Gehirn?

Stammzellen im Gehirn sorgen für lebenslangen Nachschub an spezialisierten Zellen, etwa wenn Lern- oder Trainingseffekte Anpassungen des Gehirns erfordern. Bei Säugern wie Mensch und Maus sinkt im Alter die Anzahl der Hirnstammzellen, bei Fischen dagegen nicht. Wodurch wird die Anzahl der Hirnstammzellen gesteuert? Und könnte es sogar möglich sein, den altersbedingten Rückgang aufzuhalten? Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum, der Universität Heidelberg und dem französischen Centre National de la Recherche Scientifique wollen dies nun in einem interdisziplinären Verbund untersuchen. Der Europäische Forschungsrat ERC fördert das Vorhaben „PEPS" mit einem der begehrten Synergy Grants.

Die meisten unserer Organe enthalten gewebespezifische Stammzellen, die bei Zellverlust durch Verletzung oder Verschleiß für Nachschub an spezialisierten, differenzierten Zellen sorgen. Auch im Gehirn gibt es so genannte Stammzell-Nischen. Die dort ansässigen Zellpopulationen sorgen bis ins Erwachsenenalter dafür, dass im Bedarfsfall genau die richtige Menge reifer Nerven- und auch Gliazellen zur Verfügung steht. Bedarf kann beispielsweise durch Verletzungen entstehen, aber insbesondere auch durch die lernbedingten Anpassungen des Gehirns, die als „Plastizität“ bezeichnet werden.

Bei Maus und Mensch geht die Anzahl der Stammzellen im Gehirn im Laufe des Alterns zurück. Bei Fischen dagegen bleibt sie lebenslang konstant. Wie die Anzahl der Hirnstammzellen genau reguliert wird, ist heute nicht bekannt. Doch hat diese Frage große medizinische Relevanz. Könnte es durch Steigerung der Stammzell-Zahl gelingen, auch im Alter oder nach Verletzungen Selbstheilungskräfte und Plastizität im Gehirn anzukurbeln? Oder ließe sich im Gegenteil die Stammzellfähigkeit unterdrücken und damit das Fortschreiten von Hirntumoren bremsen?

Ein interdisziplinäres Forschungskonsortium „PEPS“ (PErPetuating Stemness) will diese Frage nun angehen und wird vom europäischen Forschungsrat ERC mit einen „Synergy Grant“ gefördert. Mit diesem Förderinstrument unterstützt der ERC kleine Teams von Wissenschaftlern, die gemeinsam komplexe Forschungsprobleme lösen wollen und dabei disziplinübergreifend verschiedene Techniken und Fertigkeiten zusammenbringen.

Das von Ana Martin-Villalba aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) koordinierte Team hat sich in einem hoch kompetitiven Bewerbungsverfahren durchgesetzt. Das Vorhaben wird nun über sechs Jahre mit elf Millionen € gefördert. Neben dem DKFZ sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Universität Heidelberg und vom französischen Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) beteiligt.

In „PEPS“ werden experimentell und theoretisch forschende Gruppen zusammenarbeiten, die über komplementäres Fachwissen verfügen, etwa auf dem Feld der Stammzellbiologie, der Biostatistik und der mathematischen Modellierung. Martin-Villalba und Laure Bally-Cuif vom CNRS bringen Expertise im Bereich der Stammzellbiologie ein, die Mathematikerin Anna Marciniak-Czochra und der Physiker Simon Anders von der Universität Heidelberg werden die Datenauswertung und Modellierung übernehmen.

Das PEPS-Team will eine Hypothese überprüfen: Die Zellen in den Stammzellnischen des Gehirns sind keine homogene Population, sondern weisen kleinste Unterschiede in ihrer Genaktivität auf. Die Forscher vermuten, dass die Summe dieser Unterschiede zusammen das Verhalten der Gesamtpopulation der Hirnstammzellen steuert und damit auch kontrolliert, wie viele Zellen die Stammzelleigenschaften beibehalten.

Um das zu überprüfen, werden die Zellen zunächst mit modernsten Methoden auf Einzelzellebene analysiert. Die so gewonnenen Daten, die insbesondere die räumliche Situation und den zeitlichen Verlauf berücksichtigen, werden anschließend mit mathematischen Modellen ausgewertet. Vom Vergleich der Gehirne von Maus und Fisch erwartet das Forscherteam Hinweise darauf, warum es bei Säugetieren im Alter zu einem Rückgang der Stammzellzahlen kommt.

Das gemeinsame Ziel ist der Nachweis, dass die Kontrolle der Anzahl der Gehirn-Stammzellen eine räumlich-zeitliche Systemeigenschaft ist, die auf Interaktionen von Stammzellpopulationen mit heterogenen Eigenschaften basiert. Die Ergebnisse sollen zum besseren Verständnis darüber beitragen, wie verschiedene Organismen die Anzahl ihrer Hirnstammzellen regulieren – und wie sich dieses System an Veränderungen und Störungen anpasst und eventuell sogar in die ein oder andere Richtung beeinflusst werden kann.

Über Deutsches Krebsforschungszentrum

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.

Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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