Viele Krankheiten des Menschen lassen sich anhand von Biomarkern im Blut oder anderen Körperflüssigkeiten nachweisen und diagnostizieren. Nicht so die Parkinson-Krankheit: Bislang gibt es keinen Biomarker, der in der Klinik eingesetzt wird, um diese neurodegenerative Erkrankung anzuzeigen.
Ein Team um ETH-Professorin Paola Picotti könnte diese Lücke nun schliessen. In einer soeben veröffentlichten Studie in der Fachzeitschrift Nature Structural and Molecular Biology stellen die Forscher:innen erstmals 76 Proteine vor, die sich als Biomarker für die Erkennung der Parkinson-Krankheit eignen könnten.
Unterschiedliche Proteinstruktur
Das Besondere an dieser Studie ist, dass die potenziellen Biomarker-Proteine sowohl in Gesunden als auch in Erkrankten vorkommen, die Moleküle jedoch in den beiden Gruppen in unterschiedlichen Formen (oder Strukturen) vorliegen. Nicht das Vorhandensein von bestimmten Proteinen zeigt die Krankheit an, sondern in welcher Struktur diese vorliegen. Damit zeigen die Wissenschaftler:innen erstmals auf, dass die Analyse aller Proteinstrukturen in einer Körperflüssigkeit potenzielle Biomarker für eine Krankheit erfassen kann.
Als nächstes müssen die gefundenen Marker anhand von grösseren Patientengruppen eingehend getestet und überprüft werden. Für klinische Diagnosen sind diese Kandidaten daher noch nicht verfügbar. «Aber aus heutiger Sicht sind sie tatsächlich ein sehr starkes Signal, das die Krankheit anzeigt. Ich bin daher zuversichtlich, dass sich das Konzept der strukturellen Biomarker bewähren wird», sagt Natalie de Souza, Senior Scientist in der Gruppe von Paola Picotti und eine der Studienmitautorinnen.
Strukturveränderungen messen
In ihrer Studie untersuchten die ETH-Forschenden die Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) von 50 Gesunden und 50 Erkrankten. Das Probematerial wurde ihnen von niederländischen Kliniker:innen zur Verfügung gestellt.
Für die Suche nach Biomarkern wendeten die Wissenschaftler:innen ein bestimmtes Verfahren zur Messung des Proteoms (also der Gesamtheit aller Proteine in einer Probe), LiP-MS genannt. Dieses Verfahren misst Strukturänderungen von Proteinen und deckt auf, wo genau die Veränderungen liegen. Klassische Proteommessungen erfassen in der Regel nur die verschiedenen Proteinarten und deren Mengen, Strukturveränderungen hingegen nicht.
Da die Struktur von Proteinen eng mit ihren Funktionen (oder eben Funktionsstörungen) verknüpft ist, stellten die Forschenden die Hypothese auf, dass bei Menschen mit Parkinson einige Proteine in anderer Form vorliegen als bei Gesunden.
In der vorliegenden Studie haben die Forscherinnen das Verfahren zum ersten Mal erfolgreich auf eine Krankheit angewendet.
Analyse weiter optimieren
In weiteren Schritten wollen die Forschenden das LiP-MS-Verfahren weiter verbessern, um das Biomarkersignal zu verstärken und damit die Empfindlichkeit, mit der die Krankheit aufgespürt werden kann, zu erhöhen. Weiter möchten die Wissenschaftler:innen die neuen Biomarker testen, um abzuschätzen, wie spezifisch sie die Parkinsonkrankheit nachweisen oder ob es Überlappungen mit anderen neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer geben könnte. Die Forscher:innen wollen zudem künftig mit ihrer Methode auch Subtypen der Parkinson-Krankheit bestimmen und genauere Prognosen über den Krankheitsverlauf machen.
Wie genau eine klinisch nutzbare Diagnostik aussehen könnte, ist noch ungewiss. De Souza schätzt, dass eine künftige Teststrategie auf Antikörpern basieren könnte, die zwischen gesunden und veränderten Proteinstrukturen unterscheiden. Massenspektrometer routinemässig in der Klinik einzusetzen wäre zwar möglich, aber nach wie vor sehr herausfordernd, sagt die Forscherin.
Literaturhinweis
Mackmull MT, Nagel L, Sesterhenn F. et al. Global, in situ analysis of the structural proteome in individuals with Parkinson’s disease to identify a new class of biomarker. Nat Struct Mol Biol 29, 978–989 (2022). DOI: externe Seite10.1038/s41594-022-00837-0call_made
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