Individuelle Fertigung nach Kundenwunsch – mit dieser Ausrichtung hat die Firma Binder Apparate und Behälterbau als Spezialist für Edelstahlbehälter ihre Nische gefunden und beliefert heute selbst Kunden in den USA und China mit Qualität, Made in Crailsheim. 1976 von Roland Binder gegründet, lag der Fokus auf der Herstellung von Weinlagertanks. Der Firmenstandort in der Nähe der großen Weinregionen um Heilbronn begünstigte zunächst das Wachstum, doch die saisonale Abhängigkeit führte schließlich dazu, dass sich die Firma bereits in den 90er Jahren mehr und mehr auf den Bau von Edelstahlbehältern für die Pharma-, Kosmetik-, Chemie- und Lebensmittelindustrie spezialisierte.
Das immer noch als Familienbetrieb geführte Unternehmen mit mittlerweile 50 Mitarbeitern stellt heute vor allem individuell gefertigte Druck-, Prozess- und Rührwerksbehälter, WHG-Behälter, Zentrifugengehäuse sowie Komponenten und Module aus Edelstahl für den Anlagenbau her und beliefert sogar den größten Covid 19-Impfstoffhersteller mit Puffergefäßen für die Impfstoffabfüllanlagen. Gerade wenn die Behälter in der Lebensmittel- oder Pharmabranche eingesetzt werden, ist eine sehr hohe Fertigungsqualität obligatorisch.
Für die Herstellung von großen Edelstahl-Behälterverschlüssen für den pharmazeutischen Einsatz war produktionstechnisch vorgesehen, diese aus einem Edelstahlblock zu fräsen. Da die Verschlüsse viele Bohrungen, Konusse und Nuten aufweisen, lag die erste Schwierigkeit darin, diese Bereiche absolut gratfrei herzustellen. Als weiterer Knackpunkt in der Produktion stellten sich die Verschluss-Oberflächen heraus. Diese müssen, damit das Medium nicht anhaften kann, spiegelglatt sein. Da jeder Fräser vor allem an den Überlappungsflächen gewisse Spuren auf der Oberfläche hinterlässt, mussten die bisherigen Edelstahl-Behälterverschlüsse in mühevoller Handarbeit mit verschiedenen Schleif- und Polieraufsätzen bearbeitet werden. Das nahm pro Verschlussdeckel (je nach Größe) etwa einen ganzen Arbeitstag in Anspruch.
Bürstenfasern aus Hochleistungskeramik
Um die händische Nacharbeit zu minimieren, wurden für die ersten maschinellen Bearbeitungsversuche herkömmliche Nylonbürsten verwendet. Das erzielte Ergebnis führte zwar zu einer Verringerung der manuellen Poliertätigkeiten an den Oberflächen, doch die gewünschten und vorausgesetzten Werte konnten nicht erreicht werden. Nach Kontaktaufnahme zum Entgratspezialisten Kempf wurden zusammen mit dem Außendienstmitarbeiter Dominik Messaros Versuche mit mehreren Typen aus dem Portfolio an Keramikfaserbürsten aus Hochleistungskeramik vorgenommen.
Die Werkzeuge mit Bürstenfasern aus technischer Keramik (Al2O3/Aluminiumoxid) eignen sich vor allem für Bearbeitungsfälle, wenn Werkstücke ein besonderes Oberflächenfinish benötigen. Die erfolgreichen Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt sowie in der Automobilindustrie haben die Eigenschaften, die denen von herkömmlichen Drahtbürsten oder mit Keramikpartikeln bestückten Nylonbürsten überlegen sind, bestätigt.
Die sog. „Oxidkeramik“ besitzt beispielsweise eine hohe Härte (härter als Stahl) und eignet sich daher bestens als Schneidstoff in der spanenden Bearbeitung. Weil die Keramik sehr hart ist, die Faserstäbe jedoch gleichzeitig so flexibel sind, dass sie sich der Werkstückoberfläche anpassen, entsteht beim Einsatz mit den Keramikfaserbürsten eine gleichmäßige Schleifwirkung. Das führt wiederum zu konstanten und sehr guten Polier- und Schleifeigenschaften und erzeugt damit gleichmäßige Oberflächen. Darüber hinaus entsteht bei der Zerspanung kein Sekundärgrat und es findet keine Anhaftung durch den Selbstregenerationseffekt des Keramikwerkstoffs statt. Zudem ist diese Art von Keramik sehr hitzebeständig, formstabil und bei Entgrat- bzw. Polierarbeiten sehr verschleißfest. All diese Eigenschaften führen schließlich zu beachtlichen Oberflächengüten (Ra bis 0,06 µ), die im zerspanenden Verfahren mit anderen Werkzeuglösungen nicht oder nur schwer erreicht werden.
Gratfrei direkt von der Maschine
Die Keramikwerkzeuglösungen von Kempf können für die verschiedensten Bearbeitungen herangezogen werden. Dabei gilt stets das Ziel, gratfrei direkt von der Maschine produzieren zu können. So können Werkzeuglösungen angeboten werden, die sich in den gesamten Herstellungsprozess implementieren lassen und durch die nachgelagerte Entgrat- bzw. Polierarbeitsgänge komplett eliminiert werden können. Vor allem bei Serienbauteilen mit hoher Fertigungsmenge sind die daraus entstehenden (Kosten-) Vorteile beachtlich. Aber auch bei individuell gefertigten Kleinstmengen sind die Vorteile einer komplett maschinellen Bearbeitung wie in diesem Fall immens.
Mit lediglich drei eingesetzten Keramikfaserbürsten konnten schon nach den ersten Versuchen die manuellen Tätigkeiten um etwa 75 Prozent reduziert werden
Keine manuelle Polierarbeit
Für die maschinelle Bearbeitung der Oberfläche (Polieren der Oberflächen und Entgraten der äußeren Werkstückkanten) wurde die abrasivste Ausführung der Keramikfaser-Bürste des Typs BÜA32-CB40M mit 40 mm Durchmesser und blauen Keramikfasern eingesetzt. Das Ergebnis nach dem maschinellen Polieren der Edelstahl-Oberfläche mit diesem Keramikfaser-Typ war so gut, dass eine manuelle und nachgelagerte Poliertätigkeit nicht mehr stattfinden musste.
Die eingefrästen Konusse wurden je nach Winkel mit der Keramik-Mobilschleiffaser des Typs BÜA32-EB06M, ebenfalls mit blauen Keramikfasern, bearbeitet. Dieses Werkzeug eignet sich bestens für die Bearbeitung an der schrägen Innenfläche der Konusse, da die Eingriffsfläche nicht wie bei den anderen Bürsten eben, sondern mit etwa 50° angewinkelt (angespitzt) ist. Da die Konusse verschiedene Austrittswinkel aufweisen, wurde an bestimmten Stellen zusätzlich die Keramikfaser-Rundbürste „Wheelbrush“ eingesetzt. Das Werkzeug kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn seitliche Flächen poliert bzw. entgratet werden müssen. Im Verbund mit allen drei Werkzeuglösungen war es der Firma Binder GmbH möglich, selbst für diese Kleinserie fast alle Produktionsabläufe in die Maschine zu verlagern, die Prozesse zu vereinheitlichen sowie die Qualität zu sichern. Für die reine Polierarbeit eines Werkstücks ganze sieben Mannstunden gegen lediglich zwei zusätzliche Maschinenstunden für die Gesamtbearbeitung „einzutauschen“.
Letzten Endes konnte die Binder GmbH mit nur wenigen Keramikfaser-Bürsten aus dem Hause Kempf alle Kundenvorgaben für das Bauteil einhalten und dabei die neu implementierten automatischen Entgrat- und Polierprozesse auch auf die Fertigung von anderen Bauteilen ausweiten. Seither kann auf das aufwändige und dadurch kostenintensive manuelle Schleifen bzw. Polieren verzichtet und die ganze Produktion effizienter gestaltet werden.
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