Etwa 71 Millionen Menschen weltweit sind chronisch mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infiziert. Die chronische Leberentzündung kann eine fortschreitende Leberschädigung verursachen und zu schweren Komplikationen einschließlich Leberzirrhose und Leberkrebs führen. HCV infiziert auf natürliche Weise nur Menschen. Dies liegt daran, dass diese Viren meist gut an ihren Wirt angepasst sind und artenübergreifende Übertragungen durch Unverträglichkeiten und Restriktionsfaktoren des Wirtsfaktors eingeschränkt werden. Das hat zwar den Vorteil, dass HCV bei Vorhandensein eines Impfstoffs und entsprechender Durchimpfung der Bevölkerung ausgerottet werden könnte, weil kein Tierreservoir zur Verfügung steht. Gleichzeitig hat es aber den Nachteil, dass keine Tiermodelle zur Verfügung stehen, mit denen die immunologischen Prozesse der chronischen Infektion genauer erforscht werden können. Zudem besteht dadurch auch nicht die Möglichkeit, im Tiermodell neue Arzneistoffe zur Behandlung der HCV-Infektion oder auch Impfstoffkandidaten zu testen.
Bislang sind die Barrieren, die die HCV-Infektion auf Menschen begrenzen, nur teilweise identifiziert. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Dr. Richard Brown, Forschungsgruppenleiter in der Abteilung Veterinärmedizin des Paul-Ehrlich-Instituts, und Prof. Thomas Pietschmann, Leiter der Abteilung Experimentelle Virologie am TWINCORE, Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung, Hannover, haben in einem Verbund mit Forschungsteams aus Deutschland, den Niederlanden, Schweden, Großbritannien, USA, Spanien und Belgien gezielt nach den Barrieren gesucht, die es HCV bisher unmöglich machen, Leberzellen der Maus zu infizieren. Ebenfalls beteiligt an dem Projekt war ein Team um Prof. Charles Rice, dem 2020 der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für die Entdeckung des HCV-Virus zuerkannt worden war. Die Maus hat das Forschungsteam in den Fokus genommen, weil es als Tiermodell für die Forschung zu Impfstoffen gegen HCV sehr gut geeignet wäre – vorausgesetzt, das Virus kann die Leber infizieren.
Mit State-of-the-Art-Methoden identifizierte das Forschungsteam Proteine in Leberzellen der Maus, die dazu beitragen, eine HCV-Infektion zu verhindern. Sie entdeckten eine unerwartete Interaktion zwischen einem Lektin und einem Komplement-Rezeptor, die zusammen einen Schutz vor einer HCV-Infektion der Maus vermitteln. Lektine sind eine Gruppe spezifischer Proteine, die an eine Vielzahl von Kohlenhydratstrukturen binden und dadurch verschiedene biologische Reaktionen beeinflussen können. Das Komplementsystem ist Bestandteil des Immmunsystems, das spezifisch Pathogene bekämpft. Das Ausschalten der Gene, die diese Proteine exprimieren, machte die Mäuse empfänglicher für eine HCV-Infektion. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen ebnen den Weg für die Entwicklung von Mausmodellen, die genutzt werden können, um das Fortschreiten einer Hepatitis-C-Erkrankung zu erforschen und wirksame und sichere Impfstoffe zu entwickeln.
Originalpublikation
Brown RJP, Tegtmeyer B, Sheldon J, Khera T, Anggakusuma, Todt D, Vieyres G, Weller R, Joecks S, Zhang Y, Sake S, Bankwitz D, Welsch K, Ginkel C, Engelmann M, Gerold G, Steinmann E, Yuan Q, Ott M, Vondran FWR, Krey T, Ströh LJ, Miskey C, Ivics Z, Herder V, Baumgärtner W, Lauber C, Seifert M, Tarr AW, McClure CP, Randall G, Baktash Y, Ploss A, Thi VLD, Michailidis E, Saeed M, Verhoye L, Meuleman P, Goedecke N, Wirth D, Rice CM, Pietschmann T (2020): Liver-expressed Cd302 and Cr1l limit hepatitis C virus cross-species transmission to mice.
Sci Adv Nov 4 [Epub ahead of print].
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