Der technische Fortschritt ermöglicht es, in den Lebenswissenschaften und in der Medizin immer detailliertere und größere Datensätze zu erzeugen. Doch aus diesen Daten neues Wissen zu generieren, ist für Wissenschaftler oft ein noch ungelöstes Problem: Daten aus der molekularen Diagnostik sind heterogen, und die medizinisch wichtigen Signale sind oft nur schwer zu entdecken. In der medizinischen Bildgebung sind oft sehr subtile Feinheiten für die Beurteilung entscheidend, und regelmäßig fehlt es an strukturierten Datensätzen mit vollständiger medizinischer Annotation, die notwendig ist, um die Algorithmen zu trainieren. Darüber hinaus muss gewährleistet sein, dass auch mit neuen Analyseverfahren der Schutz der Privatsphäre von Patienten oder Studienteilnehmern gewahrt ist.
Das Ziel der in Heidelberg neu gegründeten ELLIS-Einheit ist es, das enorme Potenzial der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens in der Medizin und den Lebenswissenschaften auszuschöpfen.
Die Einheit ist Teil von ELLIS, dem Europäischen Laboratorium für Lernen und Intelligente Systeme, ein internationaler Verbund von Forschern, der nach Vorbild des EMBL (European Molecular Biology Laboratory) strukturiert wurde und das Ziel verfolgt, die Forschung im Bereich Künstlicher Intelligenz in Europa zu stärken. An den inzwischen 28 ELLIS-Standorten in 14 Ländern arbeiten führende Forscher aus der KI-Grundlagenforschung, den Anwendungsfeldern und der Industrie eng zusammen. Europa soll mitgestalten, wie maschinelles Lernen und KI die Welt verändern, so der Gründungsgedanke von ELLIS. Dazu soll eine internationale Forschungsstruktur geschaffen werden, die die Wettbewerbsfähigkeit der KI-Forschung in Europa weiter stärkt.
Theresia Bauer, Wissenschaftsministerin von Baden-Württemberg sagt dazu: "KI und maschinelles Lernen sind Schlüsseltechnologien und Innovationstreiber für unsere Zukunft. Baden-Württemberg als Forschungsstandort bietet auf diesem Gebiet enormes Potenzial, zu welchem auch die Heidelberger Forschungsinstitutionen zählen, die führend in der Entwicklung von KI-Anwendungen im Medizinbereich und in den Lebenswissenschaften sind. Ich freue mich und bin stolz, dass mit Heidelberg nun bereits die dritte ELLIS-Einheit in unserem Bundesland an den Start geht und das Zukunftsfeld der Schnittstelle zwischen KI und Lebenswissenschaften bearbeitet. Damit gewinnt ,KI made in BW‘ insgesamt."
ELLIS Life Heidelberg konzentriert sich auf Fragen aus den Lebenswissenschaften, von der Entschlüsselung grundlegender Prinzipien des Lebens bis zu Gesundheitsforschung und Krebsforschung. Die Einheit wird einerseits neue Verfahren der KI entwickeln, zum anderen aber auch als Innovationszentrum Technologien mit Daten aus den Lebenswissenschaften verknüpfen und der Forschergemeinschaft zur Verfügung stellen.
Zu den thematischen Schwerpunkten gehören Methoden zur Bewältigung der Heterogenität sogenannter "Omics"-Daten aus molekularen Analysen ebenso wie die Interpretation der Daten in der medizinischen Bildgebung. Geplant ist weiterhin, Verfahren zur Umsetzung ethischer und datenschutzrechtlicher Leitlinien zu entwickeln. Auch die Entwicklung neuartiger Modellierungsstrategien, die in medizinischen Anwendungen die notwendige Nachvollziehbarkeit und Verantwortlichkeiten für Entscheidungen garantieren, zählen zu den Aufgaben.
In der ELLIS-Einheit bündeln Wissenschaftler aus drei führenden Heidelberger Forschungsinstitutionen ihre Kompetenzen: das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL), die Universität Heidelberg sowie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ). Die Gründungsmitglieder sind bereits heute maßgeblich im ELLIS-Netzwerk aktiv und partizipieren insbesondere im ELLIS Health Programm, das nun mit den Aktivitäten in Heidelberg verknüpft werden soll.
"Wir wollen in Heidelberg demonstrieren, welch enormes Potenzial KI und maschinelles Lernen haben, um die großen Herausforderungen der Biomedizin, der Onkologie und der Gesundheitswissenschaften insgesamt besser bewältigen zu können", erklärt Oliver Stegle vom DKFZ, Ko-Direktor und Sprecher der neuen Einheit.
Neben den Forschungsaktivitäten ist in Heidelberg ein interdisziplinäres Trainingsprogramm für junge Wissenschaftler geplant. Diese neue Initiative ist offen für Gemeinschaftsprojekte mit der Industrie und wird bereits durch ein bestehendes Netzwerk industrieller Partner unterstützt.
"ELLIS Life Heidelberg ist als Brücke gedacht, die die Sphäre der Lebenswissenschaften mit der Welt der KI verbindet", ergänzt Anna Kreshuk, ELLIS Ko-Direktorin vom EMBL. "ELLIS Heidelberg bietet eine einmalige Chance, die herausragende Forschung im Bereich des maschinellen Lernens in Heidelberg zu bündeln und dazu beizutragen, wichtige medizinische Probleme zu lösen", ergänzt Carsten Rother von der Universität Heidelberg als dritter Ko-Direktor der neuen Einheit.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
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