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Sieben auf einen Puls

Höhere Frequenzen gleich schnellerer Datentransfer und leistungsfähigere Prozessoren. Diese Formel prägt seit Jahren die IT-Branche. Technisch jedoch ist es alles andere als einfach, Taktraten und Funkfrequenzen immer weiter zu steigern. Neue Materialien könnten diese Probleme lösen. Ein vielversprechendes Ergebnis haben nun Experimente am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) geliefert: Ein internationales Forscherteam konnte ein neuartiges Material dazu bringen, die Frequenz eines Terahertz-Strahlungsblitzes um das Siebenfache zu erhöhen: Ein erster Schritt für mögliche Anwendungen in der zukünftigen Informationstechnologie, wie die Gruppe im Fachmagazin Nature Communications (DOI: 10.1038/s41467-020-16133-8) berichtet.

Wenn Smartphones Daten empfangen und Computerchips Rechnungen ausführen, ist das immer mit elektrischen Wechselfeldern verbunden, die Elektronen auf klar definierte Reisen schicken. Dabei gilt: Je höher die Frequenzen dieser Felder, umso schneller können die Elektronen ihre Arbeit verrichten und umso größere Datenübertragungsraten und Prozessorgeschwindigkeiten sind möglich. Aktuell bildet hier der Terahertz-Bereich eine Art Schallmauer – weshalb Forscher in aller Welt verstehen wollen, wie Terahertz-Felder mit neuartigen Materialien interagieren. „Mit der Terahertz-Anlage TELBE besitzt das HZDR eine herausragende Quelle, mit der sich diese Wechselwirkungen detailliert untersuchen und dadurch vielversprechende Materialien identifizieren lassen“, schätzt Jan-Christoph Deinert vom HZDR-Institut für Strahlenphysik ein. „Ein möglicher Kandidat könnte zum Beispiel Cadmiumarsenid sein.“

Gemeinsam mit Forschern aus Dresden, Köln und Shanghai hat der Physiker diese Verbindung untersucht. Cadmiumarsenid (Cd3As2) gehört zur Gruppe der sogenannten dreidimensionalen Dirac-Materialien. In diesen können die Elektronen sehr schnell und effizient sowohl miteinander als auch mit schnell schwingenden elektrischen Wechselfeldern interagieren. „Besonders interessiert hat uns, ob Cadmiumarsenid auch Terahertz-Strahlung bei höheren Frequenzen aussendet“, erläutert TELBE-Beamline-Wissenschaftler Sergey Kovalev. „Dies haben wir bereits sehr erfolgreich im Graphen beobachtet, einem zweidimensionalen Dirac-Material.“ Die Forscher vermuteten, dass die dreidimensionale elektronische Struktur von Cadmiumarsenid hilft, eine hohe Effizienz bei dieser Umwandlung zu erreichen.

Um dies zu prüfen, fertigten die Fachleute mit einem Spezialverfahren hauchdünne und hochreine Plättchen aus Cadmiumarsenid. Diese Materialproben beschossen sie mit starken Terahertz-Pulsen aus der TELBE-Anlage. Detektoren hinter der Rückseite des Plättchens erfassten, wie das Cadmiumarsenid auf die Strahlungspulse reagierte. Das Resultat: „Wir konnten zeigen, dass Cadmiumarsenid als sehr effizienter Frequenz-Vervielfacher fungiert und diese Effizienz vor allem auch bei den sehr starken Terahertz-Pulsen, die bei TELBE erzeugt werden können, nicht verliert“, berichtet der ehemalige HZDR-Forscher Zhe Wang, der mittlerweile an der Universität Köln arbeitet. Mit dem Experiment gelang eine Premiere: Erstmals zeigte sich das Phänomen der Terahertz-Frequenzvervielfachung bis zur siebten Harmonischen bei dieser noch jungen Materialklasse.

Elektronen nicht ganz im Takt

Neben dem experimentellen Nachweis lieferte das Team außerdem zusammen mit Forschern des Max-Planck-Instituts für Physik komplexer Systeme eine detaillierte theoretische Beschreibung des Geschehens: Die Terahertz-Pulse, die auf das Cadmiumarsenid treffen, bringen ein starkes elektrisches Feld mit sich. „Dieses Feld beschleunigt die freien Elektronen im Material“, beschreibt Deinert. „Als würde man eine Platte sehr schnell hin und her kippen und dadurch eine riesige Zahl kleiner Stahlkugeln ins Rollen bringen, die auf der Platte liegen.“

Die Elektronen im Cadmiumarsenid antworten auf die Beschleunigung, indem sie elektromagnetische Strahlung abgeben. Das Entscheidende: Dabei folgen sie nicht exakt dem Taktstock des Terahertz-Feldes, sondern schwingen auf komplizierteren Bahnen – eine Folge der ungewöhnlichen elektronischen Struktur des Materials. Deswegen senden die Elektronen neue Terahertz-Pulse mit ungeraden ganzzahlig Vielfachen der ursprünglichen Frequenz ab – ein nichtlinearer Effekt ähnlich wie bei einem Piano: Spielt man auf der Klaviatur den Kammerton a, lässt das Instrument nicht nur den Grundton erklingen, sondern ein reiches Spektrum an Obertönen, den Harmonischen.

Für die Welt nach 5G

Perspektivisch verspricht das Phänomen zahlreiche Anwendungen, etwa in der drahtlosen Kommunikation. Hier geht der Trend zu immer höheren Funkfrequenzen: Auf denen lassen sich deutlich mehr Daten übermitteln als auf den heute verwendeten Kanälen. Derzeit implementiert die Branche den 5G-Standard. Bauteile aus Dirac-Materialien könnten eines Tages noch höhere Frequenzen nutzen – und damit noch mehr Bandbreite als 5G ermöglichen. Auch für den Computer der Zukunft scheint die neue Materialklasse interessant: Bauelemente auf Dirac-Basis könnten im Prinzip höhere Taktraten ermöglichen als die heutigen siliziumbasierten Technologien.

Doch erst einmal gilt es, die Grundlagen weiter zu erkunden. „Unser Forschungsergebnis war nur der erste Schritt“, betont Zhe Wang. „Bevor wir an konkrete Anwendungen denken können, müssen wir die Effizienz der neuen Materialien noch steigern.“ Dazu wollen die Fachleute herausfinden, inwieweit sich die Frequenzvervielfachung durch Anlegen eines elektrischen Stroms gezielt steuern lässt. Und sie wollen ihre Proben dotieren, also mit Fremdatomen spicken – in der Hoffnung, die nichtlineare Frequenzkonversion dadurch zu optimieren.

Publikation:

S.Kovalev, R. M. A. Dantas, S. Germanskiy, J.-C. Deinert, B. Green, I. Ilyakov, N. Awari, M. Chen, M. Bawatna, J. Ling, F. Xiu, P. H. M. van Loosdrecht, P. Surówka, T. Oka, Z. Wang: Non-perturbative terahertz high-harmonic generation in the three-dimensional Dirac semimetal Cd3As2, in Nature Communications, 2020 (DOI: 10.1038/s41467-020-16133-8)

Über Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie

Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:

• Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?

• Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?

• Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?

Das HZDR entwickelt und betreibt große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.

Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat fünf Standorte (Dresden, Freiberg, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt knapp 1.200 Mitarbeiter – davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 170 Doktoranden.

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