Abwasserrohre sollten viele Jahre haltbar sein, denn der Austausch ist zeitaufwändig und kostenintensiv. Doch die Bedingungen für die verbauten Materialien sind extrem: z. B. kann durch die Besiedelung mit Mikroorganismen im Rohr Schwefelsäure entstehen. Dies führt dann zu einem kombinierten chemisch-biologischen Angriff, der sogenannten biogenen Schwefelsäurekorrosion (BSK). Um die Beständigkeit von Materialien gegenüber diesem Korrosionsfall zu prüfen, führt das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in einem dafür entwickelten Prüfverfahren seit 2006 Untersuchungen durch. Das Verfahren stellt den chemisch-biologischen Angriff praxisnah, zeitgerafft und reproduzierbar nach. Um den in den letzten Jahren steigenden Anfragen zu Korrosionsprüfungen gerecht zu werden, hat nun eine weltweit einzigartige Anlage ihren Betrieb aufgenommen, die die bisher vorhanden Prüfkapazitäten erweitert.
Materialprüfung macht Entwicklung von BSK-resistenten Werkstoffen möglich
Aus anorganischen und organischen Schwefelverbindungen im Abwasser bzw. im abgesetzten Schlamm wird durch sulfatreduzierende Bakterien Sulfid gebildet, das zu Schwefelwasserstoff (H2S) umgesetzt wird. Das gasförmige H2S emittiert in den Gasraum, wird auf den Werkstoffoberflächen absorbiert und anschließend zu Schwefel (S) oxidiert. Im Kanalsystem und auch auf den Werkstoffen vorhandene Bakterien (Thiobacillen) setzen schließlich den Schwefel zu Schwefelsäure um, wodurch der Säureangriff startet.
Um gezielt BSK-resistente Werkstoffe zu entwickeln, werden Untersuchungsmethoden benötigt, mit denen die Realbedingungen im Labor nachgestellt werden können. Bereits seit 2006 beschäftigen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beim Fraunhofer UMSICHT mit der Thematik. Im Laufe der Jahre wurden dazu mehrere Teststände errichtet, die einen zeitgerafften und reproduzierbaren BSK-Angriff realisieren.
Häufig untersuchte Materialien sind zementäre Werkstoffe wie Mörtel und Beton. Aber das Spektrum reicht von beschichteten metallischen Werkstoffen bis hin zu Kunststoffen.
Ausbau der Kapazität
Um dem steigenden Bedarf an nachgefragten Untersuchungen gerecht zu werden, wurden im Jahr 2019 die Entwicklung und der Bau einer neuen Anlagentechnik gestartet. Die Finanzierung erfolgte aus Fraunhofer-internen Mitteln und führte zu einem weltweit einzigartigen Teststand. »Mit der nun in Betrieb befindlichen Anlage hat das Team sowohl in Bezug auf die Anlagengröße als auch im Bereich eines digitalisierten Anlagenbetriebs einen neuen Stand der Technik geschaffen«, sagt Dr. Holger Wack, Projektleiter und Mitarbeiter in der Abteilung Materialsysteme und Hochdrucktechnik beim Fraunhofer UMSICHT und ergänzt: »Es freut uns ganz besonders, dass wir mit der neuen Anlage nun ausreichend Kapazität haben, sowohl auf die Wünsche unserer Kunden einzugehen, als auch die Vernetzung mit anderen europäischen Wissenschaftlern zu vertiefen und gemeinsame Projekte anzugehen.«
In Zusammenarbeit mit dem langjährigen Kooperationspartner im Bereich der Mikrobiologie, Dr. Brill + Partner GmbH, Hamburg, werden aktuell bereits mehrere Untersuchungskampagnen in der neuen Anlage durchgeführt.
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