„Am Anfang waren wir skeptisch. Und am Ende haben wir uns wohl selbst übertroffen“, erzählt Markus Haist, Technischer Leiter der Wolfgang Bott GmbH & Co. KG. Wenn solche Töne aus einem Unternehmen kommen, das sonst ein Meister des Understatements ganz im Sinne traditioneller, schwäbischer Hidden Champions ist, dann muss etwas Außerordentliches dahinter stecken. Grund genug für uns, genauer nachzufragen. Um was geht es also genau?
Wenn sogar ein Hidden Champion aus sich heraus geht
Die Mössinger Hydraulikexperten haben für die Bürkle Pressen ein Mikro-Steuerregelventil entwickelt. Das regelt fein und wohldosiert den tröpfchenweisen Durchfluss kleinster Ölmengen, um den Volumenstrom in den Pressen für die Leiterplattenherstellung konstant zu halten. Aber ist das etwas Besonderes? Durchaus, denn nicht nur die zu regelnden Parameter sind winzig, auch die Abmessungen, in dem die Regelungstechnik untergebracht ist, sind mit 50 x 55,5 x 90 mm sehr klein. Das war ein wichtiges Kriterium – dazu später mehr. Und in der Anwendung zählen ebenfalls kleinste Einheiten.
Doch zurück zum Anfang: Als der Pressenersteller Bürkle im Rahmen seiner Second Source Strategy einen weiteren Anbieter für die Regelungstechnik in seinen Pressen suchte, wollte Bott das zugleich auch besser machen. Denn auf den Pressen der Robert Bürkle GmbH werden beispielsweise Kreditkarten und auch Leiterplatten hergestellt. Die verlangen in der Herstellung sehr viel Fingerspitzengefühl bei Druck und Temperatur. Weil dabei höchste Qualität gefordert ist, kommen weltweit die qualitativ hochwertigen und zuverlässigen Pressen aus Freudenstadt zum Einsatz. Sowohl bei der Herstellung von Basismaterial als auch in der Endfertigung überzeugen die Schwarzwälder durch Genauigkeit und Konstanz hinsichtlich Druck und Temperatur. Und dabei geht es um winzige Einheiten.
Komplexe Leiterplatten finden sich heute in jedem Produkt
In den Bereichen Automobil, Luftfahrt, Solarenergie oder Elektronik aber auch in vielen anderen Branchen verlässt heute kein Produkt mehr ohne Leiterplatte die Herstellung. Dabei steigen die Anforderungen an elektronische Komponenten für alle Anwendungen ständig an. Meist sind Leiterplatten nicht mehr einfache Standard-Produkte, sondern immer häufiger integraler Bestandteil einer Gesamtlösung. Um der Komplexität heutiger Schaltungen gerecht zu werden, wird das Layout über mehrere Lagen geplant (Multilayer). Die – stets gerade – Anzahl der Lagen beträgt zwischen vier und 24. Und damit diese Lagen zuverlässig zu einem sicher und dauerhaft funktionierenden Multilayer verpresst werden können, setzen qualitätsbewusste Hersteller in der ganzen Welt Bürkle-Pressen ein.
Die Freudenstädter bauen Pressen für das Herstellen von Multilayern mit vier Etagen bis 24 Etagen. Die Presskraft, die die Pressen erzeugen können reicht dabei von 400 kN bis 20.000 kN. Dafür sind den Pressen je nach Modell Behälter mit 70 bis 1500 Liter Hydrauliköl beigestellt. Die Presszeiten reichen, je nach Produkt, von 15 Minuten bis zu sechs Stunden. „Und da geht die Herausforderung los, denn der Druck muss zwingend immer konstant bleiben, „und das bei 100 bar genauso wie bei 300 bar“, wie Christoph Müller aus der Konstruktion von Bürkle berichtet.
Die klügere Presse gibt nach – dank Bott kann sie es
Durch die Wärmeeinbringung in die Kunststoffleiterplatten dehnt sich das Material jedoch über den Presszeitraum aus. Würde die Presse jetzt nicht nachgeben und ausgleichen, wäre die komplette Pressenfüllung an Leiterplatten zerstört. „Ein immenser Wert in diesem Stadium der Wertschöpfung wäre verloren“, betont Müller. „Dass das nicht passiert, dafür sorgt unser Mikro-Stromregelventil“, versichert Haist.
Das von Bott 2016 entwickelte 2-Wege Mikro-Stromregelventil hält den eingestellten Volumenstrom, unabhängig von der Druckdifferenz am Ventil, konstant. Die Messblende und die Druckwaage sind in Reihe geschalten, wobei die Messblende der Druckwaage nachgeschaltet ist. Für die ordnungsgemäße Funktion muss eine gewisse Mindest-Druckdifferenz an der Messblende vorhanden sein.
Feineinstellung von 0-5 l/min. über massiven Drehknopf
Die Hydraulik funktioniert dabei genial einfach und ist gegenüber einer elektronischen Regelung eindeutig im Vorteil. Der Aufbau mit Blende und Druckwaage fungiert quasi als Drossel und die will bei Druckdifferenzen den Strom immer im Gleichgewicht halten. Die Öltropfen, die zum Ausgleich der Druckdifferenz das Ventil durchströmen, müssen dabei immer gleich groß sein, also die gleiche Flüssigkeitsmenge. „Und zwar egal, ob im System 100 oder 300 bar anliegen, das ist die Kunst dieser Regelung.“ Der Volumenstrom wird dabei nur in eine Richtung (AàB) geregelt. In umgekehrter Richtung darf das Ventil nicht durchströmt werden. Für den Fall, dass der Volumenstrom in beide Richtungen geregelt werden soll, muss eine sogenannte Gleichrichterschaltung vorgesehen werden.
Die Einstellung erfolgt über einen Drehknopf, mit dem die Messblende fein verstellt werden kann und den Volumenstrom zwischen null und fünf Liter pro Minute regelt. Der Einstellwinkel beträgt 270°. Jenseits der technischen Funktionalität sorgt auch die Fertigungsqualität für Vertrauen beim Anwender. So äußert sich Hydraulikmonteur Uwe Henschel begeistert: „Der Drehknopf ist massiv ausgeführt und rastet sehr angenehm. Das schafft Vertrauen und vermittelt einem, als wäre es für die Ewigkeit gemacht. Solche Sorgfalt erlebt man heute nur noch selten.“
Lösung nur durch höchstes Qualitätsverständnis möglich
Haist nennt Gründe dafür: „Erstens entspricht das unserem Qualitätsverständnis und zweitens müssen Sie einfach hochgenau arbeiten, wenn das alles innerhalb dieses kleinen Bauraums untergebracht werden und tadellos funktionieren soll.“ Bei den kompakten Abmessungen gab es für Christoph Müller keine Kompromisse. „Wir wollten wegen des neuen Stromregelventils nicht den gesamten Hydraulikblock für unsere Anlagen ändern müssen. Alleine schon wegen der Ersatzteilversorgung wäre das nicht sinnvoll gewesen.“ Auch die Einführung des Ventils hätte sich dann enorm verzögert. Also haben die Experten von Bott somit das zunächst für unmöglich Gehaltene möglich gemacht. Seit Anfang 2017 wird das neue Mikro-Stromregelventil von Bott in den Bürkle Pressen verbaut. Und dass das Bott Mikro-Stromregelventil obendrein auch noch die Funktion dreier herkömmlicher Ventile erfüllt, treibt das Ganze auf die Spitze. Aber das wollte man beim verschwiegenen Hidden Champion eigentlich gar nicht erzählen.
Hydraulikexperten mit großer Innovationskraft
Das 1972 gegründete Familienunternehmen Wolfgang Bott GmbH & Co. KG hat sich auf Entwicklung, Herstel-lung und Verkauf von hydraulischen Aggregaten, Zylindern, Steuerblöcken und Ventiltechnik sowie Systeme spezialisiert. Mit 80 Mitarbeitern in Mössingen und Rosenheim entwickeln und fertigen die Schwaben mit hoher Kompetenz anspruchsvolle Lösungen für komplexe Kundenanforderungen aus den Branchen Energieerzeugung, Werkzeugmaschinenbau, Landmaschinen, Marine, Hydraulik, Baumaschinen sowie Automotive und Medizintech-nik. Daraus resultieren interessante kundenspezifische Sonderlösungen und häufig Standardprodukte.
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